Dunja Hayali betritt zielstrebig die große Bühne am Mediengipfel der 30. Münchner Medientage, als wenn es das Natürlichste von der Welt wäre. Sie trägt einen passgenauen dunkelblauen Anzug, körperbetont geschnitten, darunter ein silbergraues T-Shirt mit V-Ausschnitt, schwarze Schuhe, flache Absätzen. Ihr Markenzeichen: dunkle Augen, kräftige Augenbrauen und die trendige Kurzhaarfrisur in schwarz. Ihre aufstehenden Haare lassen vermuten: sie kann auch widerborstig sein. Und dennoch ist die deutsche Moderatorin mit irakischen Wurzeln vielmehr für ihr freundlich, lockeres Auftreten bekannt. Ohne ein Wort zu sagen oder schrill daherzukommen, hat sie bereits die volle Aufmerksamkeit der Zuschauer. Sie beginnt mit ihrer Anmoderation zum Anlass “Journalismus inmitten von Big Data, Algorithmen und Internet”. Dann kommt es, wie es bei diesem technischen Thema kommen muss: schwarzer Bildschirm. Die Videoanlage ist ausgefallen. Und das in Anwesenheit der Kanzlerin! Hayali lässt sich nicht beeindrucken – im Gegenteil. Es ist ihr Vorteil: die ganze Aufmerksamkeit liegt wieder auf ihr.
Starke Anmoderation
Hayali kommt gleich zur Sache: “Wir feiern 30 Jahre Medientage – herzlichen Glückwunsch! Mit oder ohne Film, wen interessiert’s.” Schlagfertig und geradeaus – das gefällt den Zuschauern. Sie applaudieren. Hayali begrüßt die Gäste im Saal, allen voran die Kanzlerin: “Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, Ihnen allen ein herzliches Willkommen – schön, dass Sie den Weg hierher nach München gefunden haben.” Dann nimmt die Begrüßung ein Wende im Konjunktiv und mit mehr Druck in der Stimme: “Ich hätte auch sagen können: herzlich willkommen, liebe Volksverräter, Lügenpresse, links-grün-versifftes Medienpack oder aber auch Merkel-Diktatur-Versteher.” Lacher und Applaus durchbrechen die Rede, die sich zu einem Plädoyer wandelt. “Selbst die Anrede sagt ja sehr viel über Nähe und Distanz, Respekt, Respektlosigkeit, über Toleranz, Anstand, Selbstachtung und auch über Hass aus.” Kurze Zäsur. “In diesem Jahr wollen wir auf diesen Medientagen hauptsächlich über das Thema Digitalisierung sprechen – also ein Zukunftsmodell. Wir müssen uns aber auch die Frage stellen: wie wollen wir eigentlich über Zukunft sprechen, wenn wir uns nicht wieder gemeinsam in diesem Land auf die Werte besinnen, die für uns doch alle wichtig sind – die für uns doch das Fundament für fast alles sind, über das wir hier und auch in unserem Alltag sprechen. Und wenn es uns nicht gelingt, wieder gemeinsame Leitplanken und auch Richtlinien festzulegen, dann kann man vielleicht sagen, dass diese Demokratie mit Presse- und Meinungsfreiheit, die für uns alle so wahnsinnig wichtig ist, möglicherweise dann eben kein Zukunftsmodell ist, sondern eher ein Auslaufmodell. Sie alle wissen, dass unsere Branche, die Medien, in einer Art Krise stecken – in Teilen zurecht, in Teilen, das muss man aber auch mal sagen, wirklich zu Unrecht, und wir sollten diese Tage hier nutzen, auch mal in uns zu gehen, und auch mal uns Medien zu reflektieren. Wo stehen wir, wo wollen wir hin? Was beschäftigt uns, was läuft schief, und wo können wir vor allen Dingen auch besser werden? Wie können wir das Vertrauen der Zuschauer, Zuschauerinnen, der Leser, Leserinnen wieder zurückgewinnen. Wie können wir diese Menschen auch möglicherweise bei dem einen oder anderen Prozess mit an die Hand nehmen, auch und besonders beim Thema Digitalisierung, denn wenn sie mit den Menschen sprechen, ruft es bei dem einen oder andern auch ein bisschen Sorge und Angst hervor. Eines muss aber auch klar sein, und ich werde nicht müde es immer und immer wieder zu sagen – bei aller Freude und auch aller Liebe zum Dialog und zur Transparenz – es gibt eben auch Grenzen. Und diese Grenzen sind definitiv erreicht, wenn sie sich im Dialog und in allen anderen Gesprächen Hass, Bedrohung und Beleidigungen mischen. Das muss man ganz klar machen: das hat nichts mehr mit Meinung oder Meinungsfreiheit zu tun. Und zwar egal gegen wen, ob gegen Medienvertreter, gegen Politiker oder aber auch gegen Ehrenamtliche, die in diesem Land wirklich sehr viel geleistet haben.” Sie hat ihre Botschaft gebracht und kommt dann zügig zum Ende: “Sie merken schon, es gibt jede Menge zu besprechen. Darum möchte ich vorschlagen, fangen wir damit jetzt an. Und darum bitte ich zu mir auf die Bühne den Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien, Siegried Schneider, herzlich willkommen!”
Spontanität ist erfrischend
Eine gute Moderation lebt von Spontaneität. Nichts ist langweiliger als ein Gespräch, in dem sich keine Spannungsmomente entwickeln und die Zuschauer nichts Neues erfahren. Durch eine gute Vorbereitung muss der Moderator dafür sorgen, dass die wichtigen Themen und schwierige Fragen interessant und kontrovers angesprochen werden. So entsteht Spannung. Doch kaum etwas ist aufregender als eine völlig überraschende Situation. Dann ist nichts eingeplant oder einstudiert. Es kommt ganz und gar auf den Moderator an, die Situation zu meistern. Dazu braucht er seine volle Präsenz. Er muss die Situation verstehen und die Initiative ergreifen.
Doch zunächst gilt es, den Adrenalinschub, den eine unerwartete Situation immer mit sich bringt, zu bändigen, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Erfahrende Moderatoren nutzen den Adrenalinschub sogar, denn gut dosiert hilft er, die Situation zu bestehen. Der Moderator darf immer Fehler machen – wichtig ist, dass er locker bleibt und die Situation originell auflöst. Das gilt übrigens generelle für jeden und in allen Lebenssituationen. Da machen viel Übung und Humor den Meister.
Dunja Hayali löst die Überraschungssituation durch den technischen Ausfall spontan mit einem Witz, der in der Situation steckt: da möchtest Du über die großartigen Neuerungen der Technik sprechen, und was geschieht als erstes: die Technik streikt. Hayali wartet nicht darauf, ob das technische Problem gelöst werden kann. Ihr ist bewusst, zu viele wichtige Leute mit Terminen sitzen im Auditorium. Darum geht sie nach dem auflockernden Lacher sofort zum Thema über. Das beeindruckt auch die Kanzlerin. In ihrer anschließenden Rede spricht Angela Merkel unter anderem über den Wettlauf der Medien, wer als erster ein Ereignis kommentiert und die amüsante Verhaltensweise, oft über Ereignisse schon zu berichten, noch bevor sie überhaupt stattgefunden haben. Sie fügt hinzu: “Auf die Fragestellung, ob Frau Hayali noch reaktionsfähig ist und auf unerwartete Situationen anständig reagieren kann, sage ich: ja, hat sie gut gemacht!”
Wendepunkte sind fesselnd
Wendepunkte bergen immer Überraschungen. Das macht sie interessant. Hayali hat in ihre Anmoderation geschickt einen unerwartete Wende eingebaut, die es in sich hat. Ihre freundliche Begrüßung nach Protokoll wendet sich in eine freundliche Beschimpfung: “liebe Volksverräter, Lügenpresse, links-grün-versifftes Medienpack…” – allerdings sanft eingewickelt in die Möglichkeitsform, den Konjunktiv. Sie nimmt damit die kontroverse Position derer ein, die jetzt nicht im Auditorium sitzen, sich jedoch derzeit auf den Straßen im Land lauthals Luft verschaffen. Spätestens jetzt sind alle Zuhörer aufmerksam. Das möchte Hayali – alle sollen voll dabei sein, um das zu hören, was sie zu sagen hat.
Engagement macht wahrhaftig
Hayali ist bekannt für ihr Engagement für Offenheit, Dialog und Toleranz in der Gesellschaft. Sie geht über das Übliche hinaus – sie versucht, zu Lösungen beizutragen. Dieses Engagement ist spürbar in ihrer Stimme und der Botschaft in ihrer Anmoderation. Das macht sie wahrhaftig, glaubwürdig, aber auch verletzlich. Doch Verletzlichkeit ist etwas, das wir alle verstehen und mitempfinden können, denn jeder Mensch ist angreifbar und verletzlich. Wer mutig ist und seine Verletzlichkeit zeigt, wirkt sympathisch, kann Menschen berühren und hoffentlich etwas zum Besseren verändern.
Moderation – harte Arbeit und viel Spaß
Es sieht spielend einfach aus: Du gehst auf die Bühne und hältst ein lockeres Gespräch mit interessanten Gästen. Doch der Eindruck täuscht. Die Arbeit als Moderator ist intensiv und anstrengend. Jeder Moment erfordert volle Aufmerksamkeit und Präsenz – physisch und geistig. Du musst im Auge behalten, was auf der Bühne und im Saal geschieht, ob sich das Gespräch in die richtige Richtung bewegt, alle Gäste am Gespräch beteiligt sind und die Spannung nicht abflacht. Es gibt Gesprächspartner, die nicht in die Gänge kommen – die musst Du aus der Reserve locken. Dem gegenüber stehen Gäste, die sich profilieren wollen und nicht aufhören zu reden – denen musst Du charmant, und ohne dass es negativ auffällt, den Ball wieder abnehmen.
Das Gespräch nimmt nicht irgendeinen Verlauf. Der Moderator führt das Gespräch bestens vorbereitet über mehrere Etappen entlang eines inhaltlichen spannenden Parcours mit Wendepunkten und Überraschungen – wie in einer Achterbahn. Er sorgt dafür, dass bei Talk alle wichtigen Fragen, Argumente und Gegenargumente angesprochen und auch mögliche Lösungen ausgelotet werden. Er kennt seine Gäste und deren Hintergründe, und nutzt diese geschickt im Verlauf des Gesprächs, um das Gespräch kontrovers und damit interessant zu führen. Hinter professionellen TV-Moderatoren wie Dunja Hyali steht ein ganzes Redaktionsteam, um Talks für Sendungen bis ins Detail vorzubereiten.
Bei einem guten Talk vergeht die Zeit wie im Flug. Und gerade die Zeit muss der Moderator immer im Blick behalten. Sonst könnte es geschehen, dass wesentliche Fragen unbehandelt bleiben oder es zu einem unschönen abrupten Ende kommt. Wenn die Zeit knapp wird, führt der gekonnte Moderator wie ein guter Taxifahrer in einer Großstadt über Abkürzungen sicher und rechtzeitig zum gewünschten Ziel.
10 Tipps für Deine Moderation
Es gibt heutzutage viele Gelegenheiten, um selber einmal in die Rolle eines Moderators zu schlüpfen. Vielleicht wirst Du angesprochen, ob Du nicht eine kurze Rede vor Publikum oder eine Gesprächsrunde moderieren möchtest. Nur Mut, es macht viel Spaß! Damit Du gut vorbereitet bist und die Veranstaltung gelingt, haben wir 10 wichtige Profi-Tipps für Dich:
1. Bereite Dich gut vor:
Recherchiere zum Thema und zu Deinen Gästen, so dass Du Bezüge zwischen beidem herstellen kannst. Überlege Dir: was ist das Kernthema und was sind die wichtigsten Fragen dazu. Denke dabei auch an Dein Publikum – was möchte das Publikum gerne wissen? Erstelle Dir Moderationskarten mit einer packenden Anmoderation, Karten mit den wichtigen Themen und Hintergrundinformationen und eine knackigen Abmoderation. Versuche Überraschungsmomente einzubauen. Verinnerliche Dir den Ablauf und den Zeitplan.
2. Besorge Dir ein passendes Outfit:
Du solltest Dich bequem und dem Anlass entsprechend kleiden, nicht zu formal, aber irgendwie interessant. Du solltest Dich als Moderator etwas abheben. Hier ist Kreativität gefragt. Wer keine Idee hat: nimmt Dir einen Nachmittag Zeit, geh in ein gutes Bekleidungsgeschäft und sprich mit der Modeberaterin oder dem -berater über Dein Vorhaben und Deine finanziellen Möglichkeiten. Teile mit, welche Kleidung Du bereits hast, und dann lass Dich in aller Ruhe beraten. Probiere Kleidung an. Wichtig sind drei Dinge: Du musst Dich in der Kleidung wohlfühlen, sie muss richtig sitzen und zu Deinem Typ passen. Wenn Dir etwas gefällt, kaufe dort ein, wo Du beraten wurdest, auch zum Dank für eine tolle Beratung.
3. Vor dem Auftritt Lampenfieber bekämpfen:
Mach Dich mit dem Veranstaltungsort vertraut: geh auf die Bühne, probiere das Mikrofon aus und sprich kurz mit den Gästen. Das fokussiert und senkt das Lampenfieber. Danach ziehe Dich zurück und konzentriere Dich auf die Moderation.
4. Die Begrüßung folgt Regeln:
Besondere Gäste im Publikum sollten in der formal korrekten Reihenfolge mit Namen und Rolle genannt und begrüßt werden.
5. Die Anmoderation unbedingt einüben:
Die Anmoderation soll die Zuschauer auf das Thema neugierig machen und sie z.B. durch Überraschungen und Humor fesseln. Du solltest sie exzellent vorbereiten und einüben. Wenn sie gut gelingt, wird sie Dich beflügeln.
6. Die Talkgäste auf die Bühne bitten:
Stelle jeden Talk-Gast kurz und interessant vor und dann bitte ihn auf die Bühne. Das machst Du am besten im Stehen mit einer natürlichen Gestik. Für die Zuschauer ist das interessant, funktioniert aber nur in großen Räumen.
7. Die Talkrunde eröffnen:
Als Moderator holst Du jeden Talk-Gast mit einer kurzen (interessanten oder provokanten) Frage in den Talk rein. Das geschieht reihum oder gemixt, bis alle Talk-gäste dabei sind.
8. Den Talk meistern:
Achte darauf, dass Du Deine Fragen gut verständlich stellst, dass Fachwörter erklärt werden, dass Deine Gäste etwa gleichgewichtet am Gespräch beteiligt werden und dass Fragen nicht umgangen, sondern verständlich beantwortet werden. Vermeide zu lange, komplizierte Wortbeiträge, Wiederholungen oder Dozieren – all dies ist langweilig für die Zuschauer. Bei Bedarf musst Du als Moderator aktiv und kreativ werden, z.B. auf die Tube drücken oder eine Wende in der Diskussion einleiten. Du kannst einen neuen Gesichtspunkt bringen oder die Frage einfach an einen anderen Gast weiterreichen.
9. Beteilige die Zuschauer:
Es sind die Zuschauer, die eine Veranstaltung lebendig und relevant machen. Darum, beziehe die Zuschauer in die Diskussion mit ein.
10. Die Talkrunde interessant beenden:
Nach einem intensive Gespräch ist es gut, wenn der Moderator am Ende die wichtigsten Erkenntnisse zusammenfasst oder die Gäste in eine kurze und humorvolle Schlussrunde einbezieht.