Ihre zärtliche Berührung elektrisiert meinen ganzen Körper. Sie hat mich überrascht, mein Gehirn für einen Moment ausgeschaltet. Ich habe vermutet, sie wollte mich festhalten. Stattdessen strich mit ihrer schlanken Hand zart über meinen Bauch. „Wo willst Du denn hin“, fragt sie mit sanfter Stimme. Mein Kopf streitet mit meinen Gefühlen. „Schnell weiter, es wird gefährlich“, meint der Kopf. „Ich habe selten eine solch tiefe Zärtlichkeit empfunden“, sagt mein Herz. „Warum nicht doch ein wenig verweilen und sehen, was geschieht.“ Die Geschwindigkeit meiner Gedanken ist beunruhigend. Angst breitet sich aus. Was, wenn ich mich verliere… und mich auf sie einlasse?
Sie hat ein schmales Gesicht mit einem einnehmenden Lächeln, nicht aufdringlich, schulterlange schwarze Haare. Ruhig und etwas geheimnisvoll sieht sie mir in die Augen. „Bleib doch hier“, legt sie nach. Für einen Augenblick scheint die Zeit stillzustehen. „Du bist wunderschön – und ich bin in festen Händen“, rutsch es mir heraus. Der erste Teil stimmt, der letzte – naja – ich bin nicht in festen Händen, sondern in zarten. „Wie schade“, sagt sie. Ich gehe geschwind weiter, aus Angst umzukippen. Nur einen Moment länger, und ich wäre wohl schwach geworden. Ich kann mich nicht entsinnen, je so viel Charme und zugleich Angst gespürt zu haben angesichts dieser geheimnisvollen attraktiven Frau.
An diesem späten Sommerabend im September 2012, schlendere ich entlang der Oranienburgerstraße zurück zu meinem Hotel am Alexanderplatz. Nostalgisch veranlagt war ich auf der Suche nach den Orten, die ich liebte und oft besuchte, als ich noch in Berlin lebte: die Friedrichstrasse, das Tacheles, die Synagoge – und hier, kurz vor den Hackeschen Höfen, treffe ich auf diese junge Frau. Offenbar ist sie es gewohnt, Männer anzusprechen. Es ist ihr Job. So könnte man meinen, das sei keine wahre Zärtlichkeit gewesen. Vielleicht hat mich genau das verunsichert – mein Kopf blockiert durch ein Vorurteil. Mein Herz sagt allerdings, diese Frau ist mir respektvoll begegnet. Ihre Zärtlichkeit war echt. Und wie behandelte ich sie? Es ging mir nicht aus dem Kopf. In meiner Hast habe ich sie nicht einmal nach ihrem Namen gefragt. Bis zum heutigen Tag habe ich die zärtliche Begegnung mit der Frau mit den schwarzen Haaren nicht vergessen.