Geliebtes Lüneburg – Spaziergang mit Musiker Dennis Hart durch die alte Hansestadt

Geliebtes Lüneburg – Spaziergang mit Musiker Dennis Hart durch die alte Hansestadt

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Als ich Dennis Hart an dem Sonntag im Juli 2015 besuche, beglückt uns das Wetter mit Sonnenschein und blauem Himmel. Dennis lädt spontan zu einem Spaziergang ein. Noch schnell ein Frühstück mit frischem Kaffee, dann geht‘s los. In seinem schwarzen Audi Kombi rollen wir übers Land nach Lüneburg. Die Musikanlage spielt die CD „Sommertraum“ von Dennis – passend zur lieblichen Heidelandschaft und dem herrlichen Wetter.

Frühstück mit Dennis
Frühstück mit Dennis

Dennis ist Musiker, Komponist und Musikproduzent. Viele seiner Instrumentaltitel liefen in Filmen und Fernsehproduktionen. Mittlerweile ist er international bekannt. Dennis ist ein bodenständiger Typ. Er liebt die sanften Töne – mal fröhlich, mal nachdenklich, bezaubernd, manchmal auch traurig oder elektrisierend. Diese Stimmungen spürt jeder, der seine Musik hört. Dennis und ich kennen uns schon seit den 80er Jahren. Damals war ich als junger Reporter beim WDR Bielefeld für die Musikszene West unterwegs. Dennis und seine Frau Chris besuchte ich regelmässig und berichtete über Dennis‘ aktuelle Musiken. Im Laufe der Jahre entstand eine feste Freundschaft.

Musikstudio von Dennis Hart
Musikstudio von Dennis Hart

Die besondere Schönheit der Lüneburger Heide und der Nordsee hatten Dennis und Chris in den 90er Jahren in diese Gegend gebracht. „Der Norden passt zu mir“, erklärt Dennis, „Er ist geradeaus, er kann aufwühlen, wenn es stürmisch ist, und er kann zauberhaft sein mit seinen blühenden Heidelandschaften oder herrlichen Sonnenuntergängen über dem Meer. Hier gibt es viele Motive, die mich für meine Musik inspiriert haben. Und dann ist da noch meine Liebe zu Lüneburg – diese wunderschöne, romantische Stadt. Die sehen wir uns jetzt an.“

Der alte Kran

In Lüneburg angekommen, parken wir den Audi nahe der Innenstadt und gehen zu Fuss weiter. „Lüneburg ist angenehm überschaubar“, meint Dennis. „Hier kannst Du jederzeit Freunde auf der Strasse treffen, und alles ist entspannt“. Er lacht. Wir erreichen den alten Kran im Wasserviertel. Der Kran ist ein Wahrzeichen von Lüneburg. Angeblich steht er hier schon seit dem 14. Jahrhundert. Der Kran diente dazu, Waren auf die Schiffe im Hafen zu verfrachten. Dennis erklärt: „Lüneburg ist eine Hansestadt. Das Geld verdiente man hier mit weissem Gold – mit Salz. Salz war sehr gefragt, aber schwer zu bekommen. Hier in Lüneburg konnte man es ganz leicht aus der Saline gewinnen. So wurde die Stadt reich.“

Am Stintmarkt

Der alte Kran steht direkt an der Ilmenau, die sich durch Lüneburg schlängelt. Früher war der Fluss ein bequemer Handelsweg, der in die Elbe und von dort in den Hamburger Hafen oder zur Nordsee führte. Heute bietet die Ilmenau eine angenehme Kulisse für Spaziergänger und Touristen. „Da drüben ist der Stint“. Dennis zeigt auf die Reihe wunderschöner mittelalterlicher Häuser auf der anderen Seite des Flussufers. „Sieh Dir mal die Vielfalt und Schönheit der Häuserfassaden an. Die hatten damals wirklich Baukultur“.

„Der Stintmarkt ist eine der schönsten Ecken in Lüneburg. Hier beginnt die Kneipenmeile.“ „Und was ist ein Stint?“, frage ich. „Das ist ein Fisch. Hier wurde früher Fisch verkauft.“ „Ach so! Heute wird hier jedenfalls nicht mehr gearbeitet, sondern unter Sonnenschirmen beim Wein oder Bier geklönt.“ „Ja, bei dem schönen Wetter wird’s spätestens ab Nachmittag richtig voll“, meint Dennis.

Wir spazieren entlang der Ilmenau und erreichen einen eindrucksvollen Backsteinbau – die Abtsmühle. Heinrich der Löwe von Sachen schenkte die Mühle im Jahr 1141 dem Abt des Michaelisklosters in Lüneburg. Noch bis ins 20. Jahrhundert wurde hier Getreide verarbeitet. Heute gehört die Mühle zu dem Gästehaus des Romantikhotels Bergström. Besucher können hier im historischen Ambiente entspannen und sich verwöhnen lassen. Von der Abtsmühle blicken wir auf die sanft dahinziehende Ilmenau und zum Stint – einfach wunderschön!

Dennis weist zur Rosenstrasse in Richtung Altstadt. Wir erreichen schliesslich einen nahezu rechteckigen, gepflasterten Platz mit einer symmetrischen Anordnung junger Bäume und einem Brunnen. „Wir sind jetzt genau in der Mitte der Altstadt“, erklärt Dennis. „Das ist unser Marktplatz. Zweimal pro Woche haben wir Markttag. Dann sind hier Stände mit frischem Obst und Gemüse oder Fisch, Käse und Wurst aus der Region. Da ist dann richtig was los.“ „Kann ich mir vorstellen, auch wenn der Platz heute fast menschenleer ist.“

Markplatz mit Luna-Brunnen

„Wenn es so ruhig ist wie heute, kannst Du hier klönen und dem Wasserplätschern des Brunnens zuhören. Weisst Du eigentlich, woher Lüneburg seinen Namen hat?“, fragt mich Dennis. Ich überlege. „Die Stadt hatte einst eine Burg, das weiss ich. Aber der Fluss hier heisst Ilmenau und nicht Lüne. Ilmenauburg – klingt komisch. Lüneburg ist besser. Ok, ich muss passen. Wie kommst Du darauf?“ „Wir stehen hier vor der Antwort.“ Dennis lächelt verschmitzt und zeigt auf den Brunnen. „Das ist der Luna-Brunnen. Er ist schon sehr alt. Seit dem 15. Jahrhundert sprudelt hier das Wasser.“ In der Mitte des Brunnens befindet sich eine mehrstufige Säule mit einer zierlichen Statue darauf – eine Jägerin mit Pfeil und Bogen, darüber eine Mondsichel. „Das ist die römische Mondgöttin Luna – und die Statue ist ein Irrtum. Früher glaubten die Menschen hier, dass die Stadt einst eine römische Siedlung war und sich der Name von der Mondgöttin Luna ableitete – Lunaburg. Doch das stellte sich als falsch heraus.“ „Es ist ja wahrscheinlich, dass Römer bis hierher vorgedrungen waren“, meine ich. Dennis nickt, „Ganz sicher ist man sich wohl auch heute nicht, woher der Name tatsächlich kommt. Angeblich von Karl dem Grossen.“ Wir recherchieren gemeinsam zur Stadtgeschichte und erfahren: Karl der Grosse hatte mit seinem Heer etwa um 800 nach Christus hier auf dem Kalkberg Zuflucht gesucht. Das Wort Zuflucht hiess damals Lhiuni. In einer Urkunde von König Otto I. aus dem Jahr 956 wurde der Ort als Lhiuniburc benannt. Daraus wurde dann später Lüneburg. Na, denke ich mir, da muss man schon ein Geschichtsstudium absolvieren, um darauf zu kommen.

Historisches Rathaus

Am Marktplatz, unmittelbar vor dem Luna-Brunnen, befindet sich das prachtvolle historische Rathaus der Stadt. Es ist von hoher kultureller Bedeutung, denn es spiegelt die Geschichte, den Reichtum und den Wandel der Hansestadt wieder. Der Grundbau, der um 1230 entstand, wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert. So kommt es, dass wir auf der Marktseite eine barocke Fassade sehen, obwohl sich dahinter eine gotische Fassade aus Backstein befindet. Der Grund für den Umbau war ein Unwetter im Jahr 1703, das die ursprüngliche Fassade stark beschädigte. Im Gebäude befinden sich wertvolle Wand- und Deckenmalereien sowie meisterhafte Holzschnitzereien. Da lohnt sich eine Führung.

„Gehen wir mal ums Haus“, meint Dennis und führt mich in die Waagestrasse. „Von hier aus kannst Du sehen, wie gross das Gebäude tatsächlich ist. Die Bürgermeister hatten immer wieder angebaut, und so ist das Gebäude viel grösser und vor allem länger wurde. In den Rat kamen übrigens nur Salzsiedemeister. Das war die reiche, einflussreiche Zunft der Stadt. Da konnte der Adel nur neidisch zugucken.“

Wir bummeln durch verwinkelte Gassen der Altstadt. Dennis schwärmt, „Sieh Dir diese Fassaden an. Jede ist anders. Die Menschen hatten damals Stil und Selbstbewusstsein. Das haben sie durch die Gestaltung ihrer Fassaden ausgedrückt.“ Mir gefällt diese Vielfalt an Formen und Texturen mit Backstein auch. Mit Rosen an den Wänden wirken die Häuser sehr gemütlich und romantisch.

Lüneburg ist eine Backsteinstadt, schon seit hunderten von Jahren. Die Tatsache, dass so viele historische Backsteinhäuser derart gut erhalten sind, zeigt: Backstein ist ein nachhaltiger Baustoff. In Lüneburg wurden Ziegel seit dem 13. Jahrhundert produziert. Mitte des 15. Jahrhunderts gab es einen regelrechten Bauboom in der Stadt. Da zählte Lüneburg etwa 14.000 Einwohner.

Spitzbögen in Türen oder Fenstern kennzeichnen den gotischen Baustil, der aus dem Mittelalter stammt. Wie zwei gefaltete Hände, die gegen der Himmel gerichtet sind, steht der Torbogen des dekorierten Backsteinhauses vor uns. Im Mittelalter strebten die Menschen nach Gott, was die bevorzugt vertikale Ausrichtung in der Architektur verdeutlicht. Die Backsteingotik ist in Lüneburg vielfältig anzutreffen. In vielen Fällen sind ihr Stileigenschaften anderer Architekturen durch spätere Umbauten überlagert.

Ab dem 16. Jahrhundert fanden die Lüneburger Gefallen an den neuen Einflüssen aus Italien. Die Renaissance belebte die Kultur grundlegend neu und führte vom Mittelalter in die Neuzeit. Sie fokussierte auf das Irdische, den Menschen und die Wissenschaft. In der Architektur zeigte sich die Renaissance unter anderem durch Symmetrien an den Häuserfassaden. Fenster sind einzeln oder paarweise angeordnet und haben eine waagerechte Stütze oder einen Rundbogen.

„Was diese Häuser im Laufe der Jahrhunderte nicht alles miterlebt und überlebt haben“, sage ich zu Dennis. „Als die Häuser gebaut wurden, ging es den Besitzern gut. Sie steckten ihren Reichtum in ihr Heim. Aber es kamen auch schlechte Zeiten“, meint Dennis. „So manches der schönen alten Häuser senkte sich ab und drohte umzukippen. Durch den Salzabbau wurde Stadt stellenweise unterspült. In den 1950er Jahren sollten viele Fachwerkhäuser abgerissen werden für Strassen und Parkplätze. Da hatten die Lüneburger aber nicht mitgemacht. Die waren weiser als die Städteplaner.“

Am Sande

Wir erreichen einen langgestreckten gepflasterten Platz wieder mit einer einmaligen Variation von wunderschönen Giebelhäusern. „Wir sind hier am Sande“, meint Dennis, „einer der schönsten Orte in Lüneburg. Früher gab es hier kein Pflaster, sondern nur sandigen Boden, wie wir das in der Lüneburger Heide gewohnt sind. Die Kaufleute kamen mit ihren Ochsen- oder Pferdekarren hierhin zum Markt und verkauften ihre Waren. Das war damals bestimmt nicht so sauber und aufgeräumt wie heute.“

Die Handelskammer

Besonders prächtig wirkt das reich dekorierte Gebäude mit Doppeltreppengiebel am Kopfende des Marktplatzes. „Das ist die Nummer 1 hier am Platz: die Industrie- und Handelskammer“, meint Dennis. Wir staunen über die edle Fassade im Renaissancestil mit schwarz glasierten Backsteinen, dazwischen weisse Fugen. Farbige Terrakotta-Medaillons und weisse horizontale Leisten zieren zusätzlich die Frontansicht. „Früher war das Gebäude ein Brauhaus. Da kannst Du mal sehen: die Brauer hatten damals viel Geld. Da wurde ordentlich Bier getrunken. Heute haben die Wirte nicht mehr ganz so viel Geld, aber getrunken wir immer noch.“ Er lacht.

St. Johannis und der schiefe Turm von Lüneburg
St. Johannis und der schiefe Turm von Lüneburg

Gegenüber der Handelskammer, am anderen Ende des Marktplatzes, protzt der gewaltige Turm der die St. Johanniskirche. Die Kirche wurde im 14. Jahrhundert erbaut und ist ein Paradebeispiel norddeutscher Backsteingotik. „Pisa hat einen schiefen Turm – und wir auch. Nach seinem Bau ist der Turm aus dem Lot geraten“, meint Dennis. „Womöglich hatte der Baumeister einen über den Durst getrunken. Könnte der Turm umstürzen?“, frage ich. „Nein, da ist genug Gegenwind“, lacht Dennis, dreht sich um und setzt den Weg fort an der Handelskammer vorbei in die Heiligengeiststrasse. Sicher ein guter Weg, denke ich mir.

„Lüneburg ist ja bekannt für seine Gastlichkeit und insbesondere seine Brauereien. Das Braugewerbe ist hier über 500 Jahre alt“, setzt Dennis fort. „Da wo wir jetzt hingehen, wird das Bier vor Deinen Augen frisch gebraut – natürlich nur mit echtem Lüneburger Wasser und selbst abgeschrotetem Malz und Hopfen.“ „Klingt gut, und wie ist das Essen?“ „Reichhaltig und gut – Salate, Fisch, Gegrilltes, Flammkuchen, Aufläufe…“ „Mmmh, ich bekomme Appetit!“ Wir erreichen ein hell gestrichenes Backsteinhaus. Über dem Eingang steht Brau- und Tafelhaus Mälzer zu Lüneburg 1447. Ein Haus mit alter Tradition. Da gehen wir gerne rein. Drinnen erwarten uns bereits Chris mit Hündin Linda und Günther. Jetzt wird im gemütlichen Ambiente bei einem selbstgebrauten Bier geklönt, gequatscht und gefeiert.

Gemütliches Beisammensein im Brauhaus Melzer

Nachtrag

Im Dezember 2016 verstarb Dennis Hart unverhofft. Erhalten bleibt er uns durch seine Musik und schöne Erinnerungen, wie die an diesen Spaziergang durch sein geliebtes Lüneburg. Die Fotos von Lüneburg in diesem Beitrag sind von Dennis.

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