Eurovision Song Contest 2014 – Sechs Freunde erkunden den Lifestyle der Stadt auf der „Green Copenhagen Tour“

Eurovision Song Contest 2014 – Sechs Freunde erkunden den Lifestyle der Stadt auf der „Green Copenhagen Tour“

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„I want to ride my bicycle, I want to ride my bike, I want to ride my bicycle, I want to ride it where I like… all I wanna do is bicycle”. Es heisst ja, dass Queen-Frontmann Freddie Mercury von den Radlern der Tour de France so fasziniert war, dass ihm die Idee zu dem Kulthit kam. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. Womöglich führte ihn eine Tournee nach Kopenhagen, wo er etwas Erstaunliches erlebte. Denn hier in Kopenhagen geht das Stechen Auto gegen Fahrrad eindeutig für die Zweiräder aus: etwa 150‘000 Autos stehen heute über 600‘000 Fahrrädern gegenüber. Die Einwohner von Kopenhagen sind sich einig: die Fahrradkultur ist eben Kult und tut der Stadtatmosphäre und dem Lifestyle der Menschen einfach gut. Darüber möchten wir unbedingt mehr erfahren – das geht natürlich am besten mit dem Fahrrad. Wir sind eine Gruppe von Eurovision-Freunden, die sich kurz vor der Eröffnung des Eurovision Song Contest für die „Green Copenhagen Tour“ angemeldet hat. Mit dabei sind Kerstin Hahn und Hakan Sanlier von digame mobile Deutschland, Johannes Schick vom Prinz-Blog Deutschland, Stephan von PwC Schweiz sowie Thomas Kristensen vom dänischen LGBT-Magazin „Out About“ mit seinem Freund Trond Tune aus Norwegen.

Der Treffpunkt für die Tour ist direkt an der Eurovision Countdown-Uhr vor dem Rathaus in Kopenhagen. Vermutlich prüft Bürgermeister Frank Jensen persönlich von seinem Bürofenster aus, ob auch alle angemeldeten Teilnehmer anwesend sind. Da ist es besser, pünktlich zu erscheinen. Genau um 10 Uhr empfängt uns die charmante Tour-Begleiterin Sine mit einem herzlichen Lächeln. Sine kommt von der Eurovision Event-Koordinationsstelle und wird uns die „Grüne Seite“ von Kopenhagen zeigen. Ihr schlankes Gesicht mit der aufgeweckten Mine, schulterlange blonde Haare und eine schmale schwarzgerahmte Brille über blauen Augen verleihen ihr einen besonderen nordischen Charme. Sie trägt Blue Jeans, darüber lässig einen langen Sweater mit schwarzweissem Druckmuster und eine dünne schwarze Jacke. Um ihren Hals liegt ein Schal elegant gewickelt. Der ist nötig, denn es ist heute früh wirklich frisch in Kopenhagen. Doch wir haben grosses Glück: die Sonne strahlt bei blauem Himmel.

„Nehmt euch schon mal ein Fahrrad“, weist uns Sine an und zeigt auf fünf weisse e-Bikes, die an einer Parkhaltung arretiert stehen. Sie nennt uns ein Passwort, das über eine Touch-Screen am Lenkrad einzugeben ist. Zum Glück verstehen die Bikes neben Dänisch auch Englisch. Mit einem Klick-Geräusch entlässt ein Verschluss an der Vorderachse mein Bike aus seiner Halterung. Thomas und sein Freund schauen interessiert zu. Sie sind, genauso wie Sine, mit dem eigenen Drahtesel da. „Ich habe kein Auto“, erklärt Thomas. „Ich mache alles mit dem Fahrrad. Nachhaltigkeit hat auch etwas mit Effizienz zu tun. Ich bin hier mit dem Rad viel schneller am Ziel als mit einem Auto.“ Sine weist uns ein: „Es gibt ein paar Regeln, die unter Radfahrern unbedingt zu beachten sind, damit es keinen Ärger gibt. Immer hintereinander fahren. Wenn Ihr anhalten wollt, hebt die Hand sichtbar hoch. Beim Abbiegen weist Ihr mit der Hand in die Richtung, in die Ihr abbiegen wollt. Telefonieren ist wie beim Autofahren verboten. Dann gibt’s eine Busse.“ Sie grinst. „Alles klar? Dann geht’s jetzt los!“ Wir sitzen auf und treten ins Pedal. Uups, mein Rad setzt sich von selbst in Bewegung. Der Elektromotor gibt Schub. Spass kommt auf. Wir ziehen vorbei an der Eurovision-Uhr auf den Hans Christian Andersens Boulevard. Hier ist noch dichter Autoverkehr. Das ändert sich, als Sine uns in die Studiestraede Richtung Universität lenkt. Auf einem Platz vor der Frauenkirche stoppt Sine. Zeit um ein paar Bilder zu machen.

„Wann hat denn in Kopenhagen der Fahrradhype begonnen?“, wollen wir wissen. Sine setzt ihr Lächeln auf und weist mit dem rechten Arm zur Nachbarstrasse: „Die erste grosse Veränderung kam bei uns 1972 als hier eine Fussgängerzone entstehen sollte. Da hatten die Ladenbesitzer laut gejammert, denn sie glaubten, dass ihr Verkauf einbrechen würde, wenn keine Autos mehr durch die Strassen fahren dürften. Der Jammer verstummte sofort mit dem ersten Weihnachtsgeschäft. Ihre Einnahmen waren niemals zuvor so hoch. Heute haben wir mit der Strøget die längste und zugleich älteste Fussgängerzone Europas.“

Weiter geht es vorbei an dem wunderschönen Gebäude der ehrwürdigen Universität von Kopenhagen. Zur Uni gehört eine aussergewöhnlich schöne historische Bibliothek – absolut sehenswert. Aber wir sind ja auf den Pfaden von morgen: es geht um Nachhaltigkeit und wie Menschen in Zukunft in Städten im wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Einklang leben können. Das gilt übrigens auch für den Song Contest – der soll ja noch in hundert Jahren ein grossartiges Ereignis und Anziehungsmagnet für viele Millionen Menschen sein.

Wir erreichen den nördlichen Stadtbezirk Nørrebro. Sine führt uns in eine der vielen Seitenstrassen inmitten des Stadtteils. Wir halten vor einer Batterie von sonderbaren Tonnen. Ein Mann, mit einer Tüte voll Plastikgegenstände schreitet an uns vorbei, schaut uns dabei musternd an, und entleert schliesslich seine Last in einer der Tonnen. Wir erkunden die Tonnen. „Seit einigen Jahren trennen wir unseren Müll strikt“, erklärt Sine. Tatsächlich trennen die Tonnen die Abfälle nach Papier, Kunststoff, Pappe, Metall oder Biostoffe.

Wir folgen Sine weiter in eine nahegelegene Wohnanlage mit einer Besonderheit: es gibt hier einen Hügel! „Kopenhagen ist ja völlig flach und darum ideal für Radfahrer. Der höchste Punkt ist nicht einmal 100 Meter hoch. Wie hoch sind die höchsten Berge in Norwegen?“ „So 2‘500 Meter“, sagt Trond. „Ja, das haben wir eben nicht. Darum hat hier ein Architekt einen Hügel gebaut“, grinst Sine. „Aber nicht nur darum. Unter dem Hügel befindet sich eine Sporthalle, die jeder mieten kann. Der Hügel hilft, Energie zu sparen, da er die Halle von aussen isoliert. Ausserdem reduziert er den Schall in der Häuseranlage“. Ok, wenn das der einzige Hügel in der Nähe ist, müssen wir ihn unbedingt erklimmen. Nach 20 Sekunden auf dem Gipfel angelangt, komme ich zu dem Schluss, dass da doch zwei Kühe Platz hätten. Wir radeln weiter und gelangen zu einer grossen Parkanlage, Assistenz Kirkegard oder Assistenzfriedhof genannt. Sine erklärt, dass hier bekannte Künstler und Wissenschaftler begraben liegen, so der bekannte Schriftsteller Hans Christian Andersen. Aber es gibt noch etwas anderes interessantes zu berichten. „Es kann Euch passieren, dass Ihr hier Menschen begegnet, die in den Grünanlagen gebückt zum Boden schauen, so als ob sie etwas suchen. Immer mehr Menschen gehen in die Parks und suchen Kräuter zum Kochen. Bärlauch zum Beispiel.“ „Das machen die Leute bei uns auch“, stimmt Johannes zu. „Aber da gibt die Maiglöckchen. Die sehen ganz ähnlich aus, sind aber giftig.“ Wir durchqueren den wunderschönen Park mit seinen grossgewachsenen alten Bäumen und vielen Blumen und gelangen schliesslich nach Jægersborggade.

Dies ist eine der hippesten Gegenden in Kopenhagen. Sines Hand fährt nach oben, wir halten. „Der Bezirk war mal ziemlich herunter gekommen. Das hat sich aber völlig geändert. Es gibt hier heute über 40 interessante Shops, Cafés, Bars und Restaurants. Zum Beispiel könnt Ihr bei Manfreds ein wunderbares vegetarisches Essen vom Starkoch Lasse Bertelsen bekommen. Er hat früher im Noma gekocht, dem berühmten Restaurant von Kopenhagen, das mit zwei Sternen ausgezeichnet wurde. Das Noma hat viel Positives im Bewusstsein der Menschen bewirkt. Wir Dänen kochen nun wieder viel mehr natürliches, lokales Essen, und nehmen deutlich weniger Fastfood.“

Ich bemerke, „da hinten habe ich einen ökologischen Friseur gesehen. Was geschieht da mit mir, wenn ich da hingehe?“ „Der wird Dir mit einer grünen Schere die Haare schneiden“, scherzt Trond. „Kostet dafür sicher 20 Prozent mehr“, entgegne ich. Na, da haben wir ja das richtige Thema getroffen. Sine lacht, „Da kannst Du Dir zum Beispiel die Haare mit natürlichen Farben färben lassen. Und ja, es ist ein bisschen teurer“. Ok, der Preis ist nicht alles. Nachhaltigkeit beim Friseur heisst ja in erster Linie, dass einem die Frisur anschliessend noch und möglichst lang danach gefallen sollte.

Die Zeit drängt bereits ein bisschen. Aber für Radfahrer, die es eilig haben, gibt es in Kopenhagen eine tolle Erfindung: den „Fahrrad-Highway“. Das ist ein breiter Weg, wo schnelles Radeln fast Pflicht ist. Den Weg schlagen wir ein. Mein e-Bike macht richtig Speed. Wir sausen fast geräuschlos quer durch ein Wohngebiet. Zu hören sind nur Fahrräder, Menschen oder Vögel, doch weit und breit kein Motorenlärm. Ich habe mich schon fast daran gewöhnt, da treffen wir auf den Ågade-Åboulevard, eine der am stärksten befahrenen Strassen in Kopenhagen. Der Kontrast zwischen der Stadt mit Fahrrad und Auto könnte kaum eindrücklicher sein.

Auch auf dem Boulevard haben die Radfahrer einen eigenen breiten Fahrstreifen. Wir biegen ein und reihen uns in die Kolonne der vielen Radfahrer ein. Ich überhole eine Mutter, die mit ihren zwei Kleinen im Familienrad unterwegs ist. Während Mama strampelt, ziehen sich die Kiddies im vorderen Kasten das Picknick rein und freuen sich dabei.

Wir erreichen wieder die Kopenhagener Seen. An einer roten Ampel kommen wir zum Stehen. Links neben uns hält ein alter Volvo mit einem Fahrer am Steuer. Thomas schaut mich an und sagt, „Sieh mal, wir brauchen mit unseren Fahrrädern so wenig Platz. Autos benötigen viel Platz, sie verschmutzen die Luft und der Fahrer sitzt nur rum. Wir haben dafür Bewegung.“ Er lächelt verschmitzt. „Natürlich gibt es auch Situationen, wo Du ein Auto brauchst: für Familien oder Krankenwagen“, legt er nach. Es wird grün. Nach einigen hundert Metern erreichen wir unseren Ausgangsort, den Rathausplatz. Wir sind energiegeladen von der sportlichen Tour und den vielen inspirativen Eindrücken. Und wir verstehen nun gut, warum die Kopenhagener so überzeugt davon sind, dass ihre Kultur, die heute auf Nachhaltigkeit basiert, zu einem besseren Leben in der Stadt führt. Ist das ein Modell für andere Städte in Europa? Kopenhagen hat sich vorgenommen, bis 2025 völlig klimaneutral zu werden. Das bedeutet, dass Energie und Ressourcen in der Stadt eingespart oder durch alternative Quellen erzeugt werden, so dass insgesamt nicht mehr verbraucht wird als es die Natur auf Dauer verkraftet.

Wir diskutieren in der Gruppe, was Nachhaltigkeit für den Song Contest bedeuten könnte. Immerhin hat die Stadt einige ihrer umweltfreundlichen Massnahmen, wie Müllvermeidung oder –trennung, beim diesjährigen Contest angewendet. Aber es gibt noch viel zu tun. Gute Ideen entstehen durch Begegnungen, Erfahrungen und Gespräch wie hier auf der „Green Copenhagen Tour“. Wir freuen uns, Teil der Sache zu sein und sind fasziniert wie einst Freddie Mercury – „all I wanna do is bicycle“.

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